Dass die DSGVO als neuer Motor für Abmahnwellen missbraucht werden würde, hatten wir vor deren Inkrafttreten vorhergesagt. Die Rechtsanwälte Kilian Lenard (Berlin) und Kairis (Kanzlei RAAG, Meerbusch) fallen gerade besonders wegen solcher Abmahnungen auf. Diese werden auf vermeintliche Verletzungen von Persönlichkeitsrechten und/oder den Verstoß gegen die DSGVO gestützt.
Die Ausgangslage
Das Versenden von Massenabmahnungen, die nur dem Erwerbszweck und nicht ernsthaft der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten, Schadensersatz-, Auskunfts- und/oder Unterlassungsansprüchen dienen, wird von den Gerichten in der Regel zurecht als sittenwidrig eingestuft.
In den Fällen, in denen wir uns mit der aktuellen Abmahnwelle befasst haben, war es allerdings meist so, dass es der abgemahnte Webseitenbetreiber tatsächlich versäumt hatte, seine Internetseite rechtskonform zu gestalten. Der Vorwurf einer Rechtsverletzung im Zusammenhang mit sogenannten Google Fonts, also bestimmten verwendeten Schriftarten war also häufig im Kern berechtigt.
Einfach ausgedrückt besteht der Verstoß darin, dass die Webseite automatisch und ohne Zustimmung des Internetnutzers z.B. die IP-Adresse des Nutzers an den Internetkonzern Google mitteilt.
Das Landgericht München hatte in einem vergleichbaren Fall, bei dem allerdings der Aspekt sittenwidriger Massenabmahnung keine Rolle spielte, einem betroffenen Nutzer ein Schmerzensgeld von 100 € zzgl. Zinsen zugesprochen. Aus unserer Sicht wurde dadurch erst ein entsprechender Anreiz für die aktuelle Abmahnwelle geschaffen.
Wie Sie auf die Abmahnung reagieren sollten
Wenn Sie Opfer einer solchen Abmahnung geworden sind, sollten Sie als allererstes dafür sorgen, dass Ihre Webseite rechtskonform wird. Erforderlichenfalls mit Hilfe Ihres Webadministrators sollten Sie die fraglichen Schriftarten entweder entfernen, oder lokal einbinden, so dass eine Übermittlung personenbezogener Nutzerdaten an Google nicht mehr erfolgt. Bei Fragen zur Rechtssicherheit Ihrer Webseite bietet unsere Kanzlei zum Festpreis eine Überprüfung an, die nicht nur den Datenschutz berücksichtigt.
Abmahnung durch Rechtsanwalt Kilian Lenard
Die uns bislang bekannt gewordenen Abmahnungen dieses Rechtsanwalts wegen der Verwendung von Google Fonts weisen jeweils die gleichen Mängel auf, weshalb wir sie als unwirksam ansehen.
Es handelt sich um Massenabmahnungen, die wir als sittenwidrig betrachten. Der angeblich vertretene Mandant, ein Herr Martin Ismail, soll Mitglied einer "Interessengemeinschaft Datenschutz" sein. Deren Existenz oder Rechtsform lässt sich auch dann nicht verifizieren, wenn man die in der Abmahnung genannte Webseite der IG besucht. Im Impressum fand sich nämlich bislang immer nur gerade Herr Ismail als verantwortliche Person, keine Adresse der Interessengemeinschaft oder gar ein Handelsregistereintrag.
Hinzu kommt dass eine Rechtsverletzung des Herrn Ismail noch nicht einmal konkret behauptet wird. Vielmehr sei die Rechtsverletzung nur der Interessengemeinschaft aufgefallen. Vermeintliche Nachweise passten nicht in jedem Fall zu dem behaupteten Vorwurf.
Auskunfts-, Unterlassungs- oder Löschungsansprüche werden gar nicht erst explizit geltend gemacht, was den Eindruck der Sittenwidrigkeit unterstreicht. So wird zur Abgabe einer Unterlassungserklärung gar nicht erst aufgefordert, es geht offenbar nur ums Geld.
Die dem Webseitenbetreiber gesetzten Fristen sind zum Teil bereits abgelaufen, wenn die Abmahnung zugeht.
Abmahnung durch Rechtsanwalt Dikugoros Kairis
Auch hier liegt aus unserer Sicht eine sittenwidrige Massenabmahnung vor.
Bei diesen Abmahnungen wird als vermeintlicher Mandant Herr oder Frau Wang Yu genannt, ohne dass eine Wohnadresse mitgeteilt wird. Dies ist zumindest verdächtig, weil unüblich.
Adressierung und Sprachgebrauch vermitteln einen fragwürdigen Eindruck, der "wenig anwaltlich" wirkt.
Verdächtig ist, dass entgegen den anwaltlichen Gepflogenheiten und den Maßstäben der Rechtsprechung nicht darauf hingewiesen wird, dass eine behauptete Wiederholungsgefahr nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden könne. Vielmehr heißt es sei "nach aktueller Rechtsprechung die Unterlassung explizit zu bestätigen." Ob der Abmahnanwalt plant, im Falle des Fristablaufs einstweilige Verfügungen zu beantragen, obwohl er eine Erklärung mit ausreichendem Inhalt gar nicht explizit fordert, ist noch unklar. Hier besteht für den Abgemahnten ein Kostenrisiko.
Was die Fälle gemeinsam haben
Beide Kanzleien bieten eine (vermeintliche) Erledigung der Sache gegen relativ geringe Zahlungen von 170 € bzw. 190 € plus MwSt. an. Dies ist erkennbar Teil der angewandten sittenwidrigen Masche und soll den Anreiz für den Abgemahnten schaffen, nach dem Motto "einfach zahlen und gut".
Das Angebot wirkt auf den ersten Blick verlockend und lässt außerdem nach Auffassung des Unterzeichners auch im Sinne einer möglichen "Beuteteilung" eine verwerfliche Form der finanziellen Zusammenarbeit zwischen Abmahner und seinem Anwalt vermuten, die allerdings kaum beweisbar sein wird.
Wir raten davon ab, auf die aus unserer Sicht sittenwidrigen Abmahnungen einfach zu zahlen und auf das Beste zu hoffen. Neben der Beseitigung des Rechtsverstoßes auf der jeweiligen Webseite raten wir unseren Mandanten, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine sorgfältig formulierte, strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dies bietet auch den Vorteil, dass diese die Wiederholungsgefahr auch gegenüber möglichen weiteren Abmahnern beseitigt. (Kammergericht Berlin, Urteil vom 19.02.2013, Az.: 5 U 56/11)
Sollten Sie also wegen Google Fonts nochmals abgemahnt werden, können Sie unter Vermeidung einiger Kosten auf die bereits abgegebene Erklärung verweisen. Bei der Formulierung sind wir gerne behilflich.
Außerdem haben wir die Abmahnungen der o.g. Abmahnanwälte immer dann, wenn wir uns für die Betroffenen als Rechtsanwälte bestellt haben, als unberechtigt zurück gewiesen. Eine gerichtliche Verfolgung angeblicher Ansprüche durch die Abmahner ist in diesen Fällen bislang nicht erfolgt. Wie auch andere Kollegen vermuten wir, dass o.g. Rechtsanwälte von einer gerichtlichen Verfolgung behaupteter Ansprüche absehen, sobald sie auf fundierte Gegenwehr stoßen.
Gerne beraten oder vertreten wie auch Sie in gleichgelagerten Fällen, oder immer dann wenn Sie abgemahnt wurden.
Vereinbaren Sie einfach einen Telefon- oder Gesprächstermin.
So wird´s gemacht.
Stephan Stiletto
- Rechtsanwalt -
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